E-Autos sind in aller Munde und auch die ersten Campervans wie E-Antrieb schicken sich an, in die Verkaufsräume der Händler zu rollen. Doch wie reist es sich mit einem E-Campervan? Dirk Müller-Paul von Relleumdesign und seine Frau Lotte haben schon vor einiger Zeit den Test gemacht und sind mit einem E-Camper bis nach Schweden gefahren.
Inhaltsverzeichnis
- Sind E-Camper die Zukunft?
- Wie reist es sich mit einem E-Campervan – der Praxistest
- Der Ausbau des Mini-E-Campervans
- Zusätzlicher Strom auf dem Dach auf der Reise mit dem E-Campervan
- Motor und Verbrauch des E-Campervans
- Die Reichweite auf der Reise mit dem E-Campervan
- Lademöglichkeiten unterwegs
- Lademöglichkeiten im Ausland
- Fazit zur Reise mit dem e-Campervan
Sind E-Camper die Zukunft?
Für die einen einzig sinnvolle Alternative der Zukunft, für die anderen der eindeutig falsche Weg in die automobile Zukunft. Wie man auch dazu stehen mag, fest steht: Sie werden künftig noch stärker eine Rolle spielen als bislang, und die Hersteller werden mehr und mehr Modelle auf den Markt bringen, die Entwicklungen immer weitergehen. Was heißt das aber für die Wohnmobilisten und Caravan-Fahrer? Ganz im Vordergrund dabei natürlich die Frage, ob man mit einem elektrogetriebenen Reisemobil auch wirklich auf Reisen gehen kann und wie das funktioniert.
Wie reist es sich mit einem E-Campervan – der Praxistest
Ob und wie das in der Praxis funktioniert, haben Dirk Müller-Paul und seine Frau Lotte ausprobiert und sind mit einem Nissan e-NV200, den sie für zwei für Monate bei Next-Move gemietet und mit einem Camping-Einbau der Firma Van-Essa versehen hatten, 5.000 Kilometer bis nach Schweden und zurück gefahren. Insgesamt waren sie vier Wochen lang unterwegs. Die Tour führte von Süddeutschland, nahe der Grenze zu Österreich, nach Dänemark und dort an der Westküste hinauf bis nach Schweden. Und um es vorweg zu nehmen: Ja, eine Urlaubsreise mit dem E-Mobil funktioniert, die Reise gestaltet sich aber anders. Denn Strecke machen ist nicht – zumindest nicht mit den Fahrzeugen, die derzeit (noch) verfügbar und geeignet sind. Spätestens nach 250 Kilometern will der Nissan-Stromer neu geladen werden, 200 Kilometer sind allerdings die verlässlichere Strecke, wenn man ein wenig Reserve-Kilometer einplant, weil es an der angepeilten Stromsäule vielleicht zu Problemen kommen könnte. Das bedeutet aber auch, dass das Reisen gemütlicher, der Weg ein stückweit zum Ziel wird.
Der Ausbau des Mini-E-Campervans
Doch verlieren wir zunächst ein paar Worte zum Ausbau. Klar ist, der e-NV200 ist kein vollwertiges Reisemobil und erinnert von Größe und Ausbau eher an einen selbst ausgebauten Bulli, der nur das Notwendigste beinhaltet. Das Heckmodul von Van-Essa ist mit Kühlbox, Gaskocher, Spülbecken und Schubladen und Klappbett auf die volle Fahrzeugbreite ausgestattet. Das Bett hat eine Breite von circa 1,3 Metern und ist in der Länge ausreichend. Allerdings kann man, wenn es ausgeklappt ist, auch nur noch im Bett liegen und nicht mehr stehen oder sitzen. Auch das Stehen funktioniert bei diesem Fahrzeug nur in gebückter Haltung. Die Eigenschaften als Reisemobil sind also etwas grenzwertig.
Um Platz zu sparen, haben die beiden die Original-Klappmatratze daheim gelassen und stattdessen zwei dicke aufblasbare Schaummatratzen, ähnlich den Therm-a-Rest-Unterlagen, mitgenommen, weil sie die auch beim Kanufahren und Campen nutzen wollten. An den Sitzrückseiten hatten sie Taschen angebracht, die sich als sehr praktisch erwiesen haben. Außerdem hatten sie an den beiden hinteren Metall-Innenseiten, der Fläche wo üblicherweise das Fenster sitzt, ebenfalls zwei Stautaschen befestigt, hier allerdings mit starken Magneten.
Das Gepäck und der sonstige Kram, den man so dabeihat, war in insgesamt acht Euroboxen unterschiedlicher Größe untergebracht. Ein Teil davon wurde mit einem Sitzkisten versehen und als Hocker genutzt, andere dienten auch als kleiner Tisch. Ein zusätzlicher Klapptisch und Faltstühle waren abends am Feuerschalen-Feuer ein schöner Luxus.
Zusätzlicher Strom auf dem Dach auf der Reise mit dem E-Campervan
Das 100-Watt-Solarmodul auf dem Dachträger ist ausschließlich für die Campingbedürfnisse zuständig und lädt eine autarke Batterie für Kühlschrank und andere Verbraucher. Es ist auf einem Solarmount montiert und aufstellbar. Das Solarmount ist, genauso wie die mitgeführte Feuerschale, eine Eigenentwicklung von Dirk. Beides wird, neben vielen anderen Produkten, von ihm produziert und über seine Firma Relleumdesign vertrieben. Für das Laden der separaten Batterie war das Solarmodul komplett ausreichend. Eine Lademöglichkeit über die große Fahrbatterie hatten sie zwar installiert, aber nicht genutzt, da das Solarmodul die Versorgerbatterie auch während der Fahrt lädt.
Motor und Verbrauch des E-Campervans
Der Motor des e-NV200 leistet 80 Kilowatt, der Akku hat eine Leistung von 40 Kilowattstunden. Im Schnitt lag der Verbrauch der beiden bei rund 15 bis 17 Kilowattstunden auf 100 Kilometer, was vor allem der gemütlichen Reisegeschwindigkeit und dem Fahren über Landstraßen zuzurechnen ist. Der Dachaufbau war dabei kaum zu spüren. Lediglich als bei starkem Gegenwind das vordere, selbst konstruierte, Windschild weggerissen wurde, stieg der Verbrauch deutlich merkbar um mindestens 10 Prozent an. Bei Nutzung der Klimaanlage oder Heizung ist mit einer Reichweitenminderung von etwa 10 Prozent zu rechnen. Da ein E-Auto jedoch im Sommer nicht so heiß wird, wie ein Fahrzeug mit Verbrenner-Motor, reichen meist offene Fenster, um für etwas kühlere Luft zu sorgen. Hier macht sich die fehlende Abwärme des Motors deutlich bemerkbar.
Die Reichweite auf der Reise mit dem E-Campervan
Die rechnerische Reichweite von 200 bis 250 Kilometern haben Lotte und Dirk nur selten ausgereizt. Meist sind sie eher unter 200 Kilometer gefahren, bevor sie nachgeladen haben. Das bedeutet auf Landstraßen etwa zwei bis drei Stunden fahren, dann laden. Unterwegs konnten sie mit ihrem Fahrzeug auch auf Campingplätzen an den 230-Volt-Säulen laden. Eine lange Nacht reicht aus, damit man mit vollem Akku in die nächste Etappe starten kann. Tagsüber haben sie dann noch ein- oder zweimal Strom „nachgetankt“ und sind somit gegen Abend mehrere 100 Kilometer weitergekommen.
In den Ladepausen haben sie etwas gegessen, waren spazieren und haben eine kleine Sightseeing-Tour unternommen, waren Kaffee trinken, haben ein Nickerchen gemacht, waren einkaufen, haben gelesen, etwas gearbeitet (Firmenmails beantworten), aufgeräumt oder haben ein Museum besucht, und waren bummeln oder baden. Sie waren also ziemlich entspannt unterwegs. Möglich war das unter anderem, weil sie fast ausschließlich Landstraße gefahren sind. Das macht nicht nur mehr Spaß und man sieht mehr von der Welt, es erhöht die Reichweite eben auch deutlich.
Lademöglichkeiten unterwegs
Ladestationen gab es auch im (noch) eher dünn ausgestatteten Osten der Republik genügend. Navigiert haben sie mit den spezifischen Navigationsprogrammen der Ladenetzbetreiber. Das bedeutet allerdings, dass man immer weniger Säulen sieht, als es tatsächlich gibt. Man muss also zwischen den verschiedenen Navi-Programmen switchen, und das erweist sich als mühsam. Dafür sieht man dann aber auch die Belegung und Funktionsfähigkeit.
Eine interessante Erfahrung, die sie gemacht haben, ist, dass es manchmal schneller geht, wenn man einmal öfter aber nicht 100 Prozent lädt, da die Ladegeschwindigkeit am Anfang am höchsten ist. Es gibt mittlerweile Apps, die einem das für die geplante Route sogar ganz genau ausrechnen (z. B. A-Better-Routeplanner (ABRP)). Als Alternative kann man aber auch eine neutrale Navigationssoftware verwenden, wie man sie zum Beispiel auf Internetseiten zum Thema E-Mobilität findet (z. B. www.goingelectric.de/stromtankstellen). Sie zeigen mit Filtern alle verfügbaren Säulen an, jedoch hat man zum Bezahlen dann nicht immer unbedingt die passende Karte oder App.
Lademöglichkeiten im Ausland
Auf ihrer Reise haben Lotte und Dirk überall auf der Strecke genug Ladesäulen vorgefunden. Abgesehen davon, nehmen in letzter Zeit sowohl die Fahrzeugzahl als auch die Anzahl der Ladesäulen kontinuierlich zu. Damit wird das Netz deckender, allerdings nimmt auch die Zahl der Fahrzeuge zu, die dort zum Laden stehen. Einziges Problem bildete manchmal das Nachladen in Schweden. Hier gibt es zum Teil andere Betreiber und Ladekarten. Daher sollte man sich in Ruhe vorher besorgen, was man benötigt. Hierfür reicht es meist, sich zu registrieren und die Karte zuschicken zu lassen oder die entsprechende App zu laden. Unterwegs gestaltet sich das eher schwierig, da man sich verifizieren und eine Abbuchungs- beziehungsweise Lastschrifterlaubnis erteilen muss. Bei einigen Apps funktioniert allerdings auch die Zahlung über PayPal. Lotte und Dirk haben die Tour zwar auch nur mit vier oder fünf deutschen Verträgen und ohne dänische und schwedische Ladenetzkarten geschafft, aber das war etwas lästig. Bei ihrer nächsten Reise würden sie das anders machen – aber da gibt es ja dann auch sicher schon wieder viele neue Möglichkeiten.
Fazit zur Reise mit dem e-Campervan
Ihr Fazit: Die Reise war ein entspanntes Landstraßenreisen, bei dem man viel mehr sieht und wahrnimmt. Die Ziele, die sie erreichen wollten, haben sie problemlos erreicht. Es ist eben eine andere Art von Reisen, denn, wie eingangs schon geschrieben: Strecke machen ist nicht. Dafür hört man bei offenen Fenstern die Vögel zwitschern und das Wasser und den Wind rauschen. Das Fahren selbst ist ohnehin sehr entspannend, denn es ist ein Fahren wie mit Automatik, nur noch schöner. Abgesehen davon fährt es sich in den nördlichen Ländern noch entspannter als bei uns, da dort weniger hektisch, schnell oder dicht gefahren wird. Aber das ist ein anderes Thema.
Mittlerweile haben die beiden den Nissan gegen einen etwas größeren Opel Vivaro mit Elektromotor getauscht. Der hat nicht nur mehr Platz sondern auch etwas mehr Reichweite.